Wiehl – Die Stadt Wiehl wird zur Modellkommune in NRW im Förderprogramm „Inklusion vor Ort“ – Ein gemeinsames Projekt mit dem Verein zur Förderung und Betreuung behinderter Kinder im Oberbergischen Kreis – Neue Ansätze in der Inklusion.
Wenn es um Inklusion geht, denken viele zunächst daran, Menschen mit Behinderungen den Alltag zu erleichtern – sei es durch abgesenkte Bordsteine, Rampen oder Aufzüge. Oder sie denken an die Inklusion in Kindergärten und Schulen. Beides ist korrekt. Doch Inklusion umfasst noch viel mehr, wie heute bei einem Gespräch im Wiehler Rathaus deutlich wurde. Hier haben die Stadt Wiehl, der Verein zur Förderung und Betreuung behinderter Kinder im Oberbergischen Kreis (FUB) und weitere Beteiligte das Projekt „Wiehl ohne Barrieren“ vorgestellt. Dieses Projekt wurde von der Aktion Mensch und dem Land NRW neben drei weiteren Projekten für eine fünfjährige Förderung im Rahmen des Programms „Inklusion vor Ort“ ausgewählt, wodurch Wiehl zur Modellkommune in NRW wird.
Mit der Idee, sich auf das Förderprogramm zu bewerben, stießen Ulrich Pflitsch, FUB-Vorsitzender, und Andreas Lamsfuß, Gesamtleiter des Hauses für Menschen mit Behinderung (HBW), bei der Verwaltung auf offene Türen. „Es ist kein gewöhnliches Projekt“, erklärt Bürgermeister Ulrich Stücker. „Es betrifft viele verschiedene gesellschaftliche Gruppen.“ Denn Exklusion, also der Ausschluss einer Gruppe von Menschen von der Teilhabe an verschiedenen Angeboten, betrifft nicht nur Menschen mit Behinderungen.
Die Wiehlerin Brigitte Caster, die sich 14 Jahre lang als Architekturprofessorin an der TH Köln mit dem Thema Inklusion beschäftigt hat, begleitet „Wiehl ohne Barrieren“ als ehrenamtliche Expertin. „Der Begriff muss weiter gefasst werden.“ Nicht nur die Exklusion von Menschen mit Behinderung gilt es zu überwinden, sondern auch die von älteren Menschen, Menschen mit Migrations- oder Fluchterfahrung oder von Armut betroffenen Personen. Die Liste ließe sich fortsetzen. Es gehe darum, die „Vielfalt der Gesellschaft“ zu berücksichtigen, denn: „Das Recht auf Teilhabe ist ein Menschenrecht!“
Das Förderprogramm
Das Programm „Inklusion vor Ort“ wurde von der Aktion Mensch und dem Land NRW ins Leben gerufen. Eine Besonderheit: Bewerben konnten sich Kommunen nur gemeinsam mit einem gemeinnützigen Träger. Im Falle Wiehls ging die Initiative vom FUB aus. Von 40 Tandems dieser Art wurden schließlich die Projekte aus Wiehl, Oberhausen, Mönchengladbach und Warendorf ausgewählt. Die zweckgebundene Gesamtfördersumme beträgt eine Million Euro über fünf Jahre, wobei jeweils 500.000 Euro von der Aktion Mensch und durch das Land investiert werden.
„Wiehl ohne Barrieren“ ist kein Bauprogramm für Rampen und Aufzüge, höchstens im übertragenen Sinne. Ziel ist die Teilhabe aller Menschen, mit und ohne Beeinträchtigung, am gesellschaftlichen Leben in ihrer Kommune. „Da der Begriff Inklusion sehr umfassend ist, haben wir uns für den Schwerpunkt Freizeit, Sport, Kultur und außerschulische Bildung entschieden“, erläutert Andreas Lamsfuß. Dort sollen barrierefreie Angebote implementiert werden. Barrieren gibt es fast überall, wie ein Vortrag von Lamsfuß und Peter Madel, Erster Beigeordneter der Stadt, verdeutlichte.
Barrieren können schon bei der Information über ein Angebot beginnen. Sind diese Informationen nicht in leichter Sprache zugänglich, bleibt vielen der Zugang verwehrt. Auch die Frage der Mobilität ist wichtig: Wie erreicht man barrierefrei ein Angebot? Darüber hinaus müssen Angebote auch existieren, besonders im Bereich außerschulischer Bildung, Kultur oder Ehrenamt gibt es viele ungenutzte Möglichkeiten. Ein positives Beispiel gelungener Inklusion ist die Inklusionsmannschaft des BSV Bielstein, der ebenfalls Unterstützer des Projekts ist.
Das Netzwerk
Mindestens drei weitere Unterstützerorganisationen benötigten die Stadt und der Verein für die Bewerbung. Gefunden haben sie gleich elf: der Oberbergische Kreis, der Kreisverband des Paritätischen Oberberg, die Biologische Station, die Sportvereine BSV Bielstein und TuS Wiehl, das Tanzstudio euMotions, die Ehrenamtsinitiative Weitblick, die Kreisvolkshochschule, die Oase Wiehl, der Sozialdienst Katholischer Männer und Frauen im Oberbergischen Kreis sowie das Institut für inklusive Bildung in Kiel, ein Kontakt, der über Brigitte Caster zustande kam. Das Netzwerk soll weiter wachsen.
Nach der abgeschlossenen Bewerbung werden nun die offiziellen Anträge bei den Fördermittelgebern eingereicht, so Madel. Der Start des Projekts ist für das erste Quartal 2023 vorgesehen. Mit den Fördermitteln werden insgesamt 1,5 Stellen finanziert. Der FUB ist bereits auf der Suche nach Projekt- und Netzwerkkoordinatoren (Hier geht’s zum Stellenangebot). Eine Ausschreibung der Stadt folgt noch. Zu Beginn soll es eine Befragung geben und die Netzwerkarbeit vorangetrieben werden. Welche Erwartungen haben die Unterstützer an das Projekt? Welche Maßnahmen sind sinnvoll? Vor allem sollen schnell auch jene ins Boot geholt werden, die bislang mit Barrieren im Sozialraum zu kämpfen haben.
Haltungen überdenken und verändern, dort handeln, wo es nötig ist, um einen inklusiven Sozialraum zu schaffen. Diese Ansätze sollen in den kommenden fünf Jahren umgesetzt werden. Lamsfuß und Pflitsch freuen sich auf die spannenden Herausforderungen. „Wir wollen Menschen zusammenbringen.“ Denn erst wenn man sich kennenlernt, fallen auch viele Barrieren im Kopf. Auch Bürgermeister Stücker verspricht sich viel von dem Projekt. „Ich glaube, dass es zu einem größeren gesellschaftlichen Zusammenhalt und einem besseren Miteinander führen kann.“ Dies wiederum würde die Stadt Wiehl noch lebenswerter und attraktiver machen.
© Foto: Lars Weber, Oberberg Aktuell